Es ist Fastnacht, und keiner darf hin …
Es ist Fastnacht, und keiner darf hin …
Waren in früheren Jahrhunderten sittliche Auswüchse oftmals Anlass für ein Verbot fastnächtlichen Treibens, so führten im 20. Jahrhundert die beiden Weltkriege mit den sich anschließenden Notzeiten zu Restriktionen durch die Behörden. Der Erste Irakkrieg 1990/91 brachte eine neue Sichtweise: Aus politisch-moralischen Gründen erschien es damals unangemessen, in Deutschland Fastnacht und Karneval zu feiern. Angesichts des öffentlichen Meinungsdrucks empfahlen die verantwortlichen Verbände kurzfristig die Absage aller organisierten (Groß-)Veranstaltungen.
An den Fastnachtstagen des Jahres 1991 kam es zu zahlreichen, oft spontanen Aktionen, mit denen die Narren im Südwesten spielerisch ihre Verbundenheit mit fastnächtlichen Bräuchen dokumentierten. In Donaueschingen sammelte sich eine Gruppe von Plääri ‒ Hansele, die normalerweise erst am Abend des Fastnachtsdienstags mit blasser Larve, schwarzem Putz und schwarzem Tuch das Ende der Fastnachtszeit beweinen. Diesmal betrauerten sie standesgemäß den nicht ganz freiwilligen Verzicht auf die Fastnacht.
Einfallsreicher war im 18. Jahrhundert der Hüfinger Schneider und Torwächter Johannes Moog. Als das öffentliche Fastnachtstreiben wegen Hof- und Landestrauer im Fürstentum Fürstenberg untersagt war, erwirkte er sich späterer Überlieferung zufolge vom Oberamtmann in Hüfingen die Erlaubnis, aus seinem Fenster heraus zu narren. Gewitzt nahm er die Zusage wörtlich, hängte sein Stubenfenster aus und ging mit dem Rahmen um den Hals im Narrengewand durch die Stadt. Der Hüfinger Volksschriftsteller Lucian Reich setzte ihm 1853 als „Baptischtli“ ein literarisches Denkmal, und in Hüfingen ist das Baptistle im Fastnachtsspiel wie als Narrenfigur lebendig.
Im Jahr 2021 kommt der Verzicht auf eine Fastnacht in gewohnten Formen als Absage mit Ansage. Spätestens seit dem Herbst 2020 wurde der Spielraum für Veranstaltungen mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie sukzessive kleiner; die ausgeklügelten Szenarien der Narrenzünfte, Vereinigungen und Verbände wechselten einander ab bis zum endgültigen Aus. Was bleibt angesichts einer unsichtbaren, allgegenwärtigen Bedrohung in nächster Nähe? Trauer, Trotz oder …? Gefragt ist einmal mehr Kreativität und Innovation.
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