Narrenattribute 12022-09-20T09:33:15+02:00

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Die Marotte: Abbild ihres Trägers

Narr mit Marotte, Holzschnitt von Heinrich Vogtherr d. J., um 1540, koloriertes Exemplar, Gotha Sammlungen des Schlossmuseums, Inv. Nr. 40, 18; A. K. Nr. xyl. II, 50

Von etwa 1250 bis 1480 entwickelte sich die Figur des Narren in der bildenden Kunst und wohl auch in der Realität zu einem festen Typus mit ganz bestimmten äußeren Merkmalen und Attributen. Nicht wenige davon gehören noch heute, wenn auch in teilweise veränderter Form, zur Ausstattung schwäbisch-alemannischer Fastnachtsfiguren. Das älteste Narrenkennzeichen, das schon in den Miniaturen der Psalterhandschriften des 13. Jahrhunderts auftaucht, ist eine einfache hölzerne Keule, der sogenannte Kolben. Bereits im 14. Jahrhundert verfeinert sich die Keule zu einem Szepter mit einem geschnitzten Köpfchen auf der Spitze, das im Französischen „Marotte“ genannt wurde, abgeleitet von „marionette = Püppchen.“ Der Holzschnitt eines voll ausgeprägten Narren mit markanter Physiognomie aus der Zeit um 1540 von Hans Vogtherr d. J., zeigt außerdem, dass der Kopf auf der Marotte nicht irgendein beliebiges Gesicht, sondern das exakte Ebenbild ihres Trägers war.

Die Marotte: Abbild ihres Trägers

Von etwa 1250 bis 1480 entwickelte sich die Figur des Narren in der bildenden Kunst und wohl auch in der Realität zu einem festen Typus mit ganz bestimmten äußeren Merkmalen und Attributen. Nicht wenige davon gehören noch heute, wenn auch in teilweise veränderter Form, zur Ausstattung schwäbisch-alemannischer Fastnachtsfiguren. Das älteste Narrenkennzeichen, das schon in den Miniaturen der Psalterhandschriften des 13. Jahrhunderts auftaucht, ist eine einfache hölzerne Keule, der sogenannte Kolben. Bereits im 14. Jahrhundert verfeinert sich die Keule zu einem Szepter mit einem geschnitzten Köpfchen auf der Spitze, das im Französischen „Marotte“ genannt wurde, abgeleitet von „marionette = Püppchen.“ Der Holzschnitt eines voll ausgeprägten Narren mit markanter Physiognomie aus der Zeit um 1540 von Hans Vogtherr d. J., zeigt außerdem, dass der Kopf auf der Marotte nicht irgendein beliebiges Gesicht, sondern das exakte Ebenbild ihres Trägers war.

Narr mit Marotte, Holzschnitt von Heinrich Vogtherr d. J., um 1540, koloriertes Exemplar, Gotha Sammlungen des Schlossmuseums, Inv. Nr. 40, 18; A. K. Nr. xyl. II, 50

Eigenleben der Marotte

Narr füttert seine Marotte mit einem Löffel, Detail aus den Bordüren eines auf Pergament gedruckten Stundenbuchs aus der Offizin von Gilbert Hardouyn, Paris um 1510, Einzelblatt, Privatbesitz

Auf manchen frühneuzeitlichen Narrendarstellungen scheint die Marotte geradezu ein Eigenleben zu entwickeln. In einer Bordüre zu einem auf Pergament gedruckten französischen Stundenbuch aus der Zeit um 1510 ist ein Narr zu sehen, der seiner offenbar hungrigen Marotte mit einem hölzernen Löffel Narrenspeise zu essen gibt. Von der egozentrischen Beschäftigung des Narren mit seinem Szepter leitet sich übrigens die im Deutschen bis heute geläufige Redewendung ab, jemand habe eine Marotte, womit ein Mensch bezeichnet wird, der sonderbare Eigenheiten entwickelt.

Eigenleben der Marotte

Auf manchen frühneuzeitlichen Narrendarstellungen scheint die Marotte geradezu ein Eigenleben zu entwickeln. In einer Bordüre zu einem auf Pergament gedruckten französischen Stundenbuch aus der Zeit um 1510 ist ein Narr zu sehen, der seiner offenbar hungrigen Marotte mit einem hölzernen Löffel Narrenspeise zu essen gibt. Von der egozentrischen Beschäftigung des Narren mit seinem Szepter leitet sich übrigens die im Deutschen bis heute geläufige Redewendung ab, jemand habe eine Marotte, womit ein Mensch bezeichnet wird, der sonderbare Eigenheiten entwickelt.

Narr füttert seine Marotte mit einem Löffel, Detail aus den Bordüren eines auf Pergament gedruckten Stundenbuchs aus der Offizin von Gilbert Hardouyn, Paris um 1510, Einzelblatt, Privatbesitz

Zwiesprache mit der Marotte

Narr mit Marotte, Randzeichnung von Hans Holbein d. J. (1515/16) zu Erasmi Roterodami Stultitiae Laus, Basel 1515, fol. K 4 v., Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1662.166

Eine 1515/16 entstandene Randzeichnung von Hans Holbein d. J. zu einem in Basel gedruckten Exemplar des „Lobs der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam aus dem Besitz des Humanisten Oswald Myconius zeigt einen Narren, der sich intensiv mit seiner Marotte beschäftigt. Er scheint sie aufmunternd am Kinn zu kitzeln und ein intimes Gespräch mit ihr zu führen. Dieser absurde Dialog des Marottenträgers mit seinem eigenen Ebenbild, das Zwiegespräch mit sich selber, sollte die narzisstische Selbstliebe des Narren visualisieren. Als Ignorant der göttlichen Weltordnung unfähig zur Gottesliebe, lateinisch „amor Dei“, und damit auch nicht in der Lage zu selbstloser christlicher Nächstenliebe, kennt er nur „amor sui“, die Verliebtheit in sein eigenes Ich.

Zwiesprache mit der Marotte

Eine 1515/16 entstandene Randzeichnung von Hans Holbein d. J. zu einem in Basel gedruckten Exemplar des „Lobs der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam aus dem Besitz des Humanisten Oswald Myconius zeigt einen Narren, der sich intensiv mit seiner Marotte beschäftigt. Er scheint sie aufmunternd am Kinn zu kitzeln und ein intimes Gespräch mit ihr zu führen. Dieser absurde Dialog des Marottenträgers mit seinem eigenen Ebenbild, das Zwiegespräch mit sich selber, sollte die narzisstische Selbstliebe des Narren visualisieren. Als Ignorant der göttlichen Weltordnung unfähig zur Gottesliebe, lateinisch „amor Dei“, und damit auch nicht in der Lage zu selbstloser christlicher Nächstenliebe, kennt er nur „amor sui“, die Verliebtheit in sein eigenes Ich.

Narr mit Marotte, Randzeichnung von Hans Holbein d. J. (1515/16) zu Erasmi Roterodami Stultitiae Laus, Basel 1515, fol. K 4 v., Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1662.166

Von der Marotte zum Spiegel

Narr mit Spiegel, Randzeichnung von Hans Holbein d. J. (1515/16) zu Erasmi Roterodami Stulititae Laus, Basel 1515, fol. E 2 v., Basel, Kunstmuseum Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1662.166 

Von der Marotte als Zeichen der Selbstverliebtheit führt ein direkter Weg zum Narrenattribut des Spiegels, den Hans Holbein in seinen Randzeichnungen zum „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam ebenfalls thematisiert hat: Ein Narr betrachtet sich im Spiegel, während ihm sein Ebenbild pikanterweise die Zunge herausstreckt. „Stultitia sibi placet“ steht handschriftlich darunter: „Narrheit gefällt sich selbst.“ Hier deutet sich bereits die spätere Doppelfunktion des Narrenspiegels an, der auch umgedreht und anderen vorgehalten werden kann, um ihnen darin ihre Verkehrtheit zu zeigen. Damit erweist sich der Spiegel als ambivalent: Er kann, zum Träger oder zur Trägerin hingewendet, Inbegriff persönlicher Eitelkeit und krankhafter Ichbezogenheit sein; er kann aber auch, dem Gegenüber oder der Welt zugekehrt, als moralisches Medium zur Erkenntnis eigener Fehler dienen. In dieser zweiten Funktion ist er dann Teil des närrischen Rügerechts.

Von der Marotte zum Spiegel

Von der Marotte als Zeichen der Selbstverliebtheit führt ein direkter Weg zum Narrenattribut des Spiegels, den Hans Holbein in seinen Randzeichnungen zum „Lob der Torheit“ des Erasmus von Rotterdam ebenfalls thematisiert hat: Ein Narr betrachtet sich im Spiegel, während ihm sein Ebenbild pikanterweise die Zunge herausstreckt. „Stultitia sibi placet“ steht handschriftlich darunter: „Narrheit gefällt sich selbst.“ Hier deutet sich bereits die spätere Doppelfunktion des Narrenspiegels an, der auch umgedreht und anderen vorgehalten werden kann, um ihnen darin ihre Verkehrtheit zu zeigen. Damit erweist sich der Spiegel als ambivalent: Er kann, zum Träger oder zur Trägerin hingewendet, Inbegriff persönlicher Eitelkeit und krankhafter Ichbezogenheit sein; er kann aber auch, dem Gegenüber oder der Welt zugekehrt, als moralisches Medium zur Erkenntnis eigener Fehler dienen. In dieser zweiten Funktion ist er dann Teil des närrischen Rügerechts.

Narr mit Spiegel, Randzeichnung von Hans Holbein d. J. (1515/16) zu Erasmi Roterodami Stulititae Laus, Basel 1515, fol. E 2 v., Basel, Kunstmuseum Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1662.166 

Eitelkeit und Selbsterkenntnis

Frau mit Spiegel und Narr, Anonymer niederländischer Kupferstich, 1. Viertel 17. Jahrhundert, Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-P-OB 77.716

Ein im 17. Jahrhundert entstandener anonymer niederländischer Kupferstich greift das Motiv des Narrenspiegels in seiner Doppeldeutigkeit auf: Eine herausgeputzte weibliche Schönheit blickt eitel in einen Spiegel, aus dem allerdings dicht neben ihr auch noch ein hässlicher Narr herausschaut, der sich unbemerkt von hinten an sie herangeschlichen hat. Hier ist der Spiegel also narzisstisches Attribut und Instrument ernüchternder Selbsterkenntnis in einem. 

Eitelkeit und Selbsterkenntnis

Ein im 17. Jahrhundert entstandener anonymer niederländischer Kupferstich greift das Motiv des Narrenspiegels in seiner Doppeldeutigkeit auf: Eine herausgeputzte weibliche Schönheit blickt eitel in einen Spiegel, aus dem allerdings dicht neben ihr auch noch ein hässlicher Narr herausschaut, der sich unbemerkt von hinten an sie herangeschlichen hat. Hier ist der Spiegel also narzisstisches Attribut und Instrument ernüchternder Selbsterkenntnis in einem.

Frau mit Spiegel und Narr, Anonymer niederländischer Kupferstich, 1. Viertel 17. Jahrhundert, Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-P-OB 77.716

Eitelkeit und Selbsterkenntnis

Ein im 17. Jahrhundert entstandener anonymer niederländischer Kupferstich greift das Motiv des Narrenspiegels in seiner Doppeldeutigkeit auf: Eine herausgeputzte weibliche Schönheit blickt eitel in einen Spiegel, aus dem allerdings dicht neben ihr auch noch ein hässlicher Narr herausschaut, der sich unbemerkt von hinten an sie herangeschlichen hat. Hier ist der Spiegel also narzisstisches Attribut und Instrument ernüchternder Selbsterkenntnis in einem.

Frau mit Spiegel und Narr, Anonymer niederländischer Kupferstich, 1. Viertel 17. Jahrhundert, Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-P-OB 77.716

Nachklang der Marotte im Brauch

Villinger Narro mit Holzsäbel, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Fragt man, was von Marotte und Spiegel in der südwestdeutschen Fastnacht übriggeblieben ist, so hat sich das klassische menschenköpfige Narrenszepter, abgesehen von ein paar Wiederbelebungen bei Einzelfiguren aus jüngerer Zeit, in der einstigen Originalform verloren. Der unbearbeitete Kolben und die frühere Keule jedoch leben in diversen Abwandlungen noch weiter – etwa in den hölzernen Säbeln oder Schwertern einiger Weißnarrentypen auf der Baar und bis zu einem gewissen Grad wohl auch noch im Neckinstrument der Pritsche, das allerdings primär von italienischen Vorbildern übernommen sein dürfte.

Nachklang der Marotte im Brauch

Fragt man, was von Marotte und Spiegel in der südwestdeutschen Fastnacht übriggeblieben ist, so hat sich das klassische menschenköpfige Narrenszepter, abgesehen von ein paar Wiederbelebungen bei Einzelfiguren aus jüngerer Zeit, in der einstigen Originalform verloren. Der unbearbeitete Kolben und die frühere Keule jedoch leben in diversen Abwandlungen noch weiter – etwa in den hölzernen Säbeln oder Schwertern einiger Weißnarrentypen auf der Baar und bis zu einem gewissen Grad wohl auch noch im Neckinstrument der Pritsche, das allerdings primär von italienischen Vorbildern übernommen sein dürfte.

Villinger Narro mit Holzsäbel, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Fortleben des Spiegels im Brauch

Altartuxer mit Spiegel im Kopfputz aus Thaur / Tirol, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Eine relativ kontinuierliche Tradition hat das Attribut des Spiegels bei den Fastnachtsfiguren Südwestdeutschlands und Tirols. Zwar werden größere Handspiegel als Requisiten nur selten mitgeführt, dafür aber tauchen kleine Spiegelchen in Rautenform oder anderer Gestaltung häufig als Zierrat bei schwäbisch-alemannischen Weißnarren oder Fransenkleidern auf, wo sie vorzugsweise am Kopfstück oder am der seitlichen Einfassung der Larve, dem sogenannten Kränzchen, angebracht werden. Am prominentesten jedoch tritt das Spiegelmotiv bei einer Reihe von Maskenfiguren aus Tiroler Fasnachten in Erscheinung. Dort bilden nämlich bis zu handtellergroße Spiegel den zentralen Blickfang in der Mitte des aufwändigen, quer getragenen Kopfputzes, den man etwa in Imst den „Schein“ nennt. Fast schon hypertrophe Formen hat der federbestückte Kopfschmuck mit dem Spiegel im Zentrum beim sogenannten „Altartuxer“ oder eben „Spiegeltuxer“ in Thaur, einem Dorf nahe Innsbruck.

Fortleben des Spiegels im Brauch

Eine relativ kontinuierliche Tradition hat das Attribut des Spiegels bei den Fastnachtsfiguren Südwestdeutschlands und Tirols. Zwar werden größere Handspiegel als Requisiten nur selten mitgeführt, dafür aber tauchen kleine Spiegelchen in Rautenform oder anderer Gestaltung häufig als Zierrat bei schwäbisch-alemannischen Weißnarren oder Fransenkleidern auf, wo sie vorzugsweise am Kopfstück oder am der seitlichen Einfassung der Larve, dem sogenannten Kränzchen, angebracht werden. Am prominentesten jedoch tritt das Spiegelmotiv bei einer Reihe von Maskenfiguren aus Tiroler Fasnachten in Erscheinung. Dort bilden nämlich bis zu handtellergroße Spiegel den zentralen Blickfang in der Mitte des aufwändigen, quer getragenen Kopfputzes, den man etwa in Imst den „Schein“ nennt. Fast schon hypertrophe Formen hat der federbestückte Kopfschmuck mit dem Spiegel im Zentrum beim sogenannten „Altartuxer“ oder eben „Spiegeltuxer“ in Thaur, einem Dorf nahe Innsbruck.

Altartuxer mit Spiegel im Kopfputz aus Thaur / Tirol, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Fortleben des Spiegels im Brauch

Eine relativ kontinuierliche Tradition hat das Attribut des Spiegels bei den Fastnachtsfiguren Südwestdeutschlands und Tirols. Zwar werden größere Handspiegel als Requisiten nur selten mitgeführt, dafür aber tauchen kleine Spiegelchen in Rautenform oder anderer Gestaltung häufig als Zierrat bei schwäbisch-alemannischen Weißnarren oder Fransenkleidern auf, wo sie vorzugsweise am Kopfstück oder am der seitlichen Einfassung der Larve, dem sogenannten Kränzchen, angebracht werden. Am prominentesten jedoch tritt das Spiegelmotiv bei einer Reihe von Maskenfiguren aus Tiroler Fasnachten in Erscheinung. Dort bilden nämlich bis zu handtellergroße Spiegel den zentralen Blickfang in der Mitte des aufwändigen, quer getragenen Kopfputzes, den man etwa in Imst den „Schein“ nennt. Fast schon hypertrophe Formen hat der federbestückte Kopfschmuck mit dem Spiegel im Zentrum beim sogenannten „Altartuxer“ oder eben „Spiegeltuxer“ in Thaur, einem Dorf nahe Innsbruck.

Altartuxer mit Spiegel im Kopfputz aus Thaur / Tirol, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Narr und Närrin

Narr und Närrin, Kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham, Nürnberg, 1. Hälfte 16. Jh., Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-B-OB 10.929

Schon im 16. Jahrhundert trat an die Stelle des Narrenkolbens zuweilen auch ein anderes, bewusst doppeldeutiges Motiv: eine Wurst, die einerseits an den üppigen Fleischverzehr der Narren erinnerte, andererseits – und dies vor allem – aber auch darauf hinweisen sollte, dass Narren ihren Lebenswandel „secundum carnem“ ausrichteten, also sexuell ausschweifend lebten. Ganz unverblümt spielt darauf ein kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham aus Nürnberg an, auf dem ein Narr und eine Närrin mit höchst anzüglichen Symbolen zu sehen sind. Während die Närrin ihrem Gegenüber ein offenes Gefäß zeigt, hält der Narr eine Narrenwurst in der Hand, die eindeutig phallische Formen hat. „Wurst“ war damals ein gängiger vulgärsprachlicher Ausdruck für das männliche Glied.

Zweideutiges Zeichen: die Wurst

Schon im 16. Jahrhundert trat an die Stelle des Narrenkolbens zuweilen auch ein anderes, bewusst doppeldeutiges Motiv: eine Wurst, die einerseits an den üppigen Fleischverzehr der Narren erinnerte, andererseits – und dies vor allem – aber auch darauf hinweisen sollte, dass Narren ihren Lebenswandel „secundum carnem“ ausrichteten, also sexuell ausschweifend lebten. Ganz unverblümt spielt darauf ein kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham aus Nürnberg an, auf dem ein Narr und eine Närrin mit höchst anzüglichen Symbolen zu sehen sind. Während die Närrin ihrem Gegenüber ein offenes Gefäß zeigt, hält der Narr eine Narrenwurst in der Hand, die eindeutig phallische Formen hat. „Wurst“ war damals ein gängiger vulgärsprachlicher Ausdruck für das männliche Glied.

Narr und Närrin, Kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham, Nürnberg, 1. Hälfte 16. Jh., Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-B-OB 10.929

Zweideutiges Zeichen: die Wurst

Schon im 16. Jahrhundert trat an die Stelle des Narrenkolbens zuweilen auch ein anderes, bewusst doppeldeutiges Motiv: eine Wurst, die einerseits an den üppigen Fleischverzehr der Narren erinnerte, andererseits – und dies vor allem – aber auch darauf hinweisen sollte, dass Narren ihren Lebenswandel „secundum carnem“ ausrichteten, also sexuell ausschweifend lebten. Ganz unverblümt spielt darauf ein kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham aus Nürnberg an, auf dem ein Narr und eine Närrin mit höchst anzüglichen Symbolen zu sehen sind. Während die Närrin ihrem Gegenüber ein offenes Gefäß zeigt, hält der Narr eine Narrenwurst in der Hand, die eindeutig phallische Formen hat. „Wurst“ war damals ein gängiger vulgärsprachlicher Ausdruck für das männliche Glied.

Narr und Närrin, Kleinformatiger Kupferstich von Hans-Sebald Beham, Nürnberg, 1. Hälfte 16. Jh., Amsterdam, Rijksprentenkabinett, Inv. Nr. RP-B-OB 10.929

Die Narrenwurst im Brauch

Rottweiler Weißnarr mit Narrenwurst, Foto: Helmut Reichelt

Das Attribut der Wurst als Hinweis auf den noch erlaubten Fleischkonsum in der Fastnacht, aber auch als Anspielung auf die sexuelle Begierde der Narren taucht in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht bei manchen Maskengestalten als Requisit auf. Die Figurentypen „Biss“, „Gschell“ und „Fransenkleid“ in Rottweil zum Beispiel führen je eine solche lederne Wurstattrappe mit sich, die expressis verbis „Narrenwurst“ heißt und als Zeigeinstrument oder zum Necken der Leute dient. Auch die Figuren „Faselhannes“ und „Narro“ in Bad Waldsee sind mit derartigen Narrenwürsten ausgestattet.

Die Narrenwurst im Brauch

Das Attribut der Wurst als Hinweis auf den noch erlaubten Fleischkonsum in der Fastnacht, aber auch als Anspielung auf die sexuelle Begierde der Narren taucht in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht bei manchen Maskengestalten als Requisit auf. Die Figurentypen „Biss“, „Gschell“ und „Fransenkleid“ in Rottweil zum Beispiel führen je eine solche lederne Wurstattrappe mit sich, die expressis verbis „Narrenwurst“ heißt und als Zeigeinstrument oder zum Necken der Leute dient. Auch die Figuren „Faselhannes“ und „Narro“ in Bad Waldsee sind mit derartigen Narrenwürsten ausgestattet.

Rottweiler Weißnarr mit Narrenwurst, Foto: Helmut Reichelt

Hohles Geklingel: Narrenglöckchen

Narr mit Schellen, Holzschnitt aus: Dat Narren Schyp, Lübeck 1497, nach: Albert Schramm (Hrsg.): Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Bd. 13, Leipzig 1929, Taf. 37, Abb. 268

 

Eines der wichtigsten Kennzeichen der Standardnarren waren die Schellen, die in der Regel in Rollenform als kleine Kugeln mit Schallschlitzen an den Eselsohren der Narrenkappe und an allen Zipfeln des Torengewandes hingen. Schellen tauchen bereits in Darstellungen des frühen 15. Jahrhunderts auf. Sie signalisierten zunächst einmal das hohle Geklingel und die Inhaltslosigkeit jeglicher närrischen Äußerung. Später wurden sie aber auch theologisch gedeutet und mit einem Wort des heiligen Paulus in dessen erstem Brief an die Korinther (1 Kor. 13, 1) in Verbindung gebracht, wo es heißt: „Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, hätte aber die Nächstenliebe (lat. Caritas) nicht, wäre ich wie ein klingendes Erz und eine tönende Schelle.“ Wie bereits die Marotte und der Spiegel verweisen auch die Schellen auf die mangelnde Nächstenliebe der Narren. Eine Holzschnittvignette aus einer niederdeutschen Ausgabe des „Narrenschiffs“ von 1497 zeigt die Fülle der Glöckchen an einer einzigen Narrenbüste.

Hohles Geklingel: Narrenglöckchen

Eines der wichtigsten Kennzeichen der Standardnarren waren die Schellen, die in der Regel in Rollenform als kleine Kugeln mit Schallschlitzen an den Eselsohren der Narrenkappe und an allen Zipfeln des Torengewandes hingen. Schellen tauchen bereits in Darstellungen des frühen 15. Jahrhunderts auf. Sie signalisierten zunächst einmal das hohle Geklingel und die Inhaltslosigkeit jeglicher närrischen Äußerung. Später wurden sie aber auch theologisch gedeutet und mit einem Wort des heiligen Paulus in dessen erstem Brief an die Korinther (1 Kor. 13, 1) in Verbindung gebracht, wo es heißt: „Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, hätte aber die Nächstenliebe (lat. Caritas) nicht, wäre ich wie ein klingendes Erz und eine tönende Schelle.“ Wie bereits die Marotte und der Spiegel verweisen auch die Schellen auf die mangelnde Nächstenliebe der Narren. Eine Holzschnittvignette aus einer niederdeutschen Ausgabe des „Narrenschiffs“ von 1497 zeigt die Fülle der Glöckchen an einer einzigen Narrenbüste.

Narr mit Schellen, Holzschnitt aus: Dat Narren Schyp, Lübeck 1497, nach: Albert Schramm (Hrsg.): Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Bd. 13, Leipzig 1929, Taf. 37, Abb. 268

 

Glocken als Rollen

Villinger Narro mit Rollen, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Die rollenförmigen Schellen, inzwischen zu Kugeln von bis zu 13 cm Durchmesser angewachsen, sind noch heute eines der hervorstechenden und unüberhörbaren Merkmale vieler Maskengestalten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Beim Villinger Narro sind sie in Bronze gegossen und wiegen, an über Brust und Rücken gekreuzten Riemen getragen, bis zu 20 Kilogramm. In den meisten anderen Narrenstädten ist das „Gschell“ aus Sensenstahl getrieben, wobei zwei gehämmerte Halbschalen miteinander verlötet werden. Durch den von Ort zu Ort wechselnden speziellen Narrenschritt werden die Rollen zum Klingen gebracht und erzeugen beim massenhaften Auftreten der Narren einen ohrenbetäubenden Lärm.

Glocken als Rollen

Die rollenförmigen Schellen, inzwischen zu Kugeln von bis zu 13 cm Durchmesser angewachsen, sind noch heute eines der hervorstechenden und unüberhörbaren Merkmale vieler Maskengestalten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Beim Villinger Narro sind sie in Bronze gegossen und wiegen, an über Brust und Rücken gekreuzten Riemen getragen, bis zu 20 Kilogramm. In den meisten anderen Narrenstädten ist das „Gschell“ aus Sensenstahl getrieben, wobei zwei gehämmerte Halbschalen miteinander verlötet werden. Durch den von Ort zu Ort wechselnden speziellen Narrenschritt werden die Rollen zum Klingen gebracht und erzeugen beim massenhaften Auftreten der Narren einen ohrenbetäubenden Lärm.

Villinger Narro mit Rollen, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Glocken als Schellen

Schellnarren aus Wilflingen, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

Was den Typus der Narrenglocken betrifft, so kommen in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht fast nur die kugelförmigen „Rollen“ vor, für die teilweise auch synonym der Begriff „Schellen“ verwendet wird. In Tirol dagegen gibt es in dieser Hinsicht eine strenge Unterscheidung: Dort werden als „Schellen“ nur kelchförmige Glocken mit frei schwingendem Klöppel bezeichnet. Tiroler Fastnachtsfiguren, die ein solches Geläut tragen, heißen daher folgerichtig „Scheller“, die Träger der kugelförmigen Glöckchen dementsprechend „Roller“. Innerhalb der schwäbischen Fastnacht gibt es nur einen einzigen Ort, in dem statt Rollen die andere Form der waagrecht von einem Bauchgurt abstehenden Schellen mit Klöppel getragen wird: Wilflingen am südwestlichen Albtrauf. Die dortigen Schellnarren scheinen in der Tat auf Vorbilder aus Tirol oder dem Trentino zurückzugehen, die vermutlich im 18. Jahrhundert durch eine Adelsfamilie namens de Baratti mit Wurzeln südlich des Brenners nach Wilflingen gelangten.

Glocken als Schellen

Was den Typus der Narrenglocken betrifft, so kommen in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht fast nur die kugelförmigen „Rollen“ vor, für die teilweise auch synonym der Begriff „Schellen“ verwendet wird. In Tirol dagegen gibt es in dieser Hinsicht eine strenge Unterscheidung: Dort werden als „Schellen“ nur kelchförmige Glocken mit frei schwingendem Klöppel bezeichnet. Tiroler Fastnachtsfiguren, die ein solches Geläut tragen, heißen daher folgerichtig „Scheller“, die Träger der kugelförmigen Glöckchen dementsprechend „Roller“. Innerhalb der schwäbischen Fastnacht gibt es nur einen einzigen Ort, in dem statt Rollen die andere Form der waagrecht von einem Bauchgurt abstehenden Schellen mit Klöppel getragen wird: Wilflingen am südwestlichen Albtrauf. Die dortigen Schellnarren scheinen in der Tat auf Vorbilder aus Tirol oder dem Trentino zurückzugehen, die vermutlich im 18. Jahrhundert durch eine Adelsfamilie namens de Baratti mit Wurzeln südlich des Brenners nach Wilflingen gelangten.

Schellnarren aus Wilflingen, Foto: Ralf Siegele, www.ralfsiegele.de

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