Walpurgisnacht und Fastnacht ‒ Faszination Hexe
Walpurgisnacht und Fastnacht ‒ Faszination Hexe
„Die Hexen zu dem Brocken ziehn …“ heißt es in Goethes Faust. Dem Volks(aber)glauben nach trafen sich Hexen an bestimmten Versammlungsorten, beispielsweise auf dem Brocken im Harz oder auf dem Kandel im Schwarzwald. Häufigster Termin war (und ist) die Walpurgisnacht, die Nacht auf den 1. Mai.
In verschiedensten Brauch- und Festformen ist die ambivalente Figur der Hexe nahezu allgegenwärtig. Zwischen dem alteuropäischen Hexenglauben und der modernen folkloristischen Erscheinung liegen Welten.
Auch die schwäbisch-alemannische Fastnacht kommt nicht ohne Hexen aus. Im Gegensatz zu den althergebrachten Teufelsfiguren ist die Hexe eine vergleichsweise neue Erscheinung. Seit dem 15. Jahrhundert existierte lediglich die Figur des „alten Weibes“ als Begleiterin des Fastnachtsteufels. Die „Erfindung“ der Fastnachtshexe heutiger Prägung datiert in die frühen 1930er-Jahre; um das „Urheberrecht“ konkurrieren Gengenbach und Offenburg. Prägenden Einfluss auf die Gestaltung der Offenburger Hexe hatte der akademisch ausgebildete Offenburger Glasmaler Karl Vollmer, der ‒ ausgehend von einem alten Fastnachtsvers ‒ 1933 eine Altweiber-Gazemaske zu einer „Märchenhexe“ umstilisierte. Der Durchbruch gelang den Offenburger und einigen Gengenbacher Hexen 1935 auf dem Großen Narrentreffen in Offenburg; in der Folge wurde die Hexenzunft Offenburg gegründet. Mit der vom Elzacher Schnitzer Fritz Disch gestalteten Holzmaske und einer reglementierten Kleidung und Ausstattung wurde die Offenburger Hexe zum Erfolgsmodell. Beim Großen Narrentreffen in Überlingen im Jahr 1938 waren die Offenburger Hexen bereits mittendrin im Narrentreiben.
Der Kulturbetrieb des Dritten Reichs, der auch Karneval und Fastnacht zu vereinnahmen suchte, deutete die Hexe zu einer vorchristlich-mythologischen Gestalt um.
Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Hexenfigur als „Modehäs“ für junge Männer zu einem attraktiven Gegenentwurf zu den vielerorts gemessen auftretenden und immer kostspieliger ausgestatteten traditionellen (Weiß-)Narren. Kritik an einer geradezu inflationären Zunahme von Hexenzünften und dem ungezügelte Verhalten der Hexenfiguren blieb nicht aus; verbandspolitische Zerwürfnisse, wie sie 2012 zum Ausschluss der Narrenzunft Schnabelgiere Meersburg führten, blieben jedoch Einzelfälle. Derzeit gibt es bei einem Drittel aller Mitgliedszünfte der VSAN Hexengruppen.
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