Kehraus im Gänsemarsch: der Nasenzug in Wolfach
Kehraus im Gänsemarsch: der Nasenzug in Wolfach
Es gibt viele Arten, sich dem unvermeidlichen Ende der Fastnachtszeit zu nähern. In Wolfach geschieht dies am Abend des Fastnachtsdienstags auf außergewöhnliche Weise. Gegen 17 Uhr treffen sich vor dem Schlosstor „am Magnolienbaum“ mehrere Hundert Männer zu einem letzten Umzug. Die Kleidung demonstriert ihre närrische Gesinnung: Der Kittel (die Jacke) wird letz, d. h. mit der Innenseite nach außen gewendet getragen und von einem einfachen Seil als Gürtel zusammengehalten; am Hut steckt als obligatorischer Schmuck ein „Reifschniederspan“, ein Holzrest, der früher im Winter bei der Herstellung von Spanschachteln anfiel. Unverzichtbar ist die lange Nase als traditionelles Narrenattribut. Ob schlicht oder programmatisch ausgestaltet, ob Pappe, Plastik, Blech oder von der Hand eines einheimischen Schnitzers ‒ in Wolfach sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die unüberhörbare Begleitmusik wird auf allen nur möglichen Lärmutensilien, wie Kuhhorn, Topfdeckel oder Waschbrett, erzeugt. Der Weg durch die Stadt führt durch zahlreiche Gastwirtschaften. Dort mahnt der Anführer das Ende der Fastnacht an und kehrt mit seinem Besen den Fastnachtsstaub von den Wänden.
Diese spezielle Form des närrischen Kehraus ist der Überlieferung nach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spontan entstanden. In den städtischen Lokalen konnten die Gäste aus dem mitgeführten Korb Nasen kaufen und sich dem Zug anschließen. Um 1900 verschwand der Brauch nach wiederholten Ausschreitungen; er wurde erst in den 1920er-Jahren wiederbelebt. Bis in die Gegenwart ist er eine reine Männerangelegenheit, zumindest offiziell. Seit etwa 1950 versuchen Frauen, die Exklusivität zu unterlaufen. Daraus entstand ein neues (Abwehr-)Ritual. Entdeckte „Mitläuferinnen“ erwartet ein Bad im Stadtbrunnen ‒ für die Teilnehmer wie auch für das schaulustige Publikum eine eiskalt-fröhliche Angelegenheit.
Für alle Beteiligten endet der Zug an der Linde im Schlosshof mit einer Abschiedsrede auf die Fastnacht. Doch das rituelle Jammern der Teilnehmer über ihr Ende mischt sich mit dem Jubel über ihr neuerliches Herannahen.
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