Ein gutes Blatt: Spielkartennarren

Ein gutes Blatt: Spielkartennarren

 

Kartenspieler und Narren verbindet die Freude am Spiel und ein schier unerschütterliches Vertrauen auf das Glück. Seit dem 16. Jahrhundert finden vermehrt Narrendarstellungen auf Spielkarten Verwendung, nicht selten als besondere Trumpfkarten. Und umgekehrt zieren in dieser Zeit Spielkarten Narrengewänder; beispielsweise zeigt eines der Nürnberger Schembartbücher aus dem 17. Jahrhundert einen „Naren, bekleidet in viereckete Kartenhäusßlein“. In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht wird diese Tradition auf ganz unterschiedliche Weise interpretiert.

Der Spielkartennarro aus Zell am Harmersbach nimmt die aus Nürnberg überlieferte Art der Verkleidung auf. Wie der Schneckenhüslinarro soll er nach einer Idee des Zeller Blechners Ernst Thoma um 1934 entstanden sein. Auf dem Häs werden ca. 1800‒2000 Spielkarten dachziegelartig und als Halskrause befestigt; weitere schmücken den breitkrempigen Hut. Früher wurden abgenutzte Karten an den Stammtischen gesammelt, heute handelt es sich meist um Fehldrucke der Hersteller. Unser Narro trägt einen Kartenbesatz aus dem deutschen Blatt des Cego- (oder Zego-)Spiels, einer im Schwarzwald beliebten Tarockvariante.

Einen anderen Weg wählten die Schweizer Fastnachtsfreunde. In der Karnöffelzunft in Willisau im Kanton Luzern wurde im Jahr 2001 der Beschluss gefasst, die Figuren der Ortsfastnacht durch einen Rückgriff auf ein überliefertes Kartenspiel zu bereichern. Das Karnöffel- oder Kaiserspiel war ein seit dem 15. und 16. Jahrhundert bei Schweizer Landsknechten beliebtes Kartenspiel; der Begriff selbst ist mehrdeutig. Die Spielregeln verkehren die normale Kartenhierarchie; die verkehrte Kartenwelt setzt sich folgerichtig in der Fastnacht fort. In Willisau sind die „Zünftigen“ (Zunftmitglieder) in Gewänder gekleidet, die noch vorhandenen Karnöffelkarten (vergleichbar mit dem Deutschschweizer Kartenbild des im alemannischen Bereich verbreiteten Jass-Spiels) nachempfunden sind. Es gibt König, Ober (Dame) und Unter (Bube) in den Farben Eichel (Kreuz), Schilten (Pik), Rosen (Herz) und Schellen (Karo). Die Zunftgesellen (Zunftanwärter) sind als Schellen-Sechs gekleidet. Um auch das Kartenspiel nach alten Regeln weiterhin zu pflegen, treffen sich Zunftmitglieder monatlich zum „Karnöffeln“.

Narrenzunft Zell am Harmersbach: Spielkarten-Narro
Karnöffelzunft Willisau: König Schilten auf Deutschschweizer Jasskarten (Collage)
Bildnachweis: Zentralarchiv der VSAN, Bearbeitung: Ingeborg Rüth

2021-08-31T10:33:49+02:0031. August 2021|

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